Konvent der Fachschaften
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Stellungnahme der Studierendenvertretung zur Hörsaalbesetzung und Räumung am 13.12.2022

11.01.2023

Die Hörsaalbesetzung am 13.12.22 und deren Räumung

Am Dienstag, den 13.12.2022, besetzten gegen 10 Uhr etwa 30 bis 50 Personen den Hörsaal A240 des LMU-Hauptgebäudes, um ihren hochschul- und allgemeinpolitischen Forderungen Gehör zu verleihen. Das LMU-Präsidium forderte die Gruppe auf unverzüglich die LMU zu verlassen und ließ, als die Besetzenden dem nicht nachkamen, den Saal gegen 15 Uhr durch ein Großaufgebot der Polizei räumen. Im Zuge der Räumung wurden Platzverweise auch gegenüber einigen Umstehenden ausgesprochen. Die StuVe wurde von den Protestierenden weder vor noch nach der Hörsaalbesetzung kontaktiert oder informiert.

Kein souveräner und kommunikativer Umgang mit dem Protest

In den vergangenen Wochen haben verschiedene aktivistische Gruppen deutschlandweit Hörsäle an Universitäten besetzt, etwa im Rahmen der “End- Fossil”-Kampagne. In vielen Fällen wurden Besetzungen über mehrere Tage hinweg seitens der Hochschulleitungen geduldet. Mehrere Hochschulleitungen haben einen ausführlichen Austausch mit den Besetzenden gesucht und teils konkrete Änderungen angestoßen [1, 2 und 3] Wir kritisieren, im Einklang mit der vorläufigen Stellungnahme von Vorsitz und Geschäftsführung des Konvents der LMU [4], den Umgang der Hochschulleitung der LMU mit dem friedlichen Protest und vor allem den unbeteiligten Betroffenen. Der vergleichende Blick auf andere Hochschulen zeigt, dass es Alternativen zum Umgang mit den Protestierenden gibt, welche die Hochschulleitung der LMU jedoch nicht genutzt hat. Die Hochschulleitung hätte den Protest beispielsweise tolerieren, das direkte und offene Gespräch mit den beteiligten Personen suchen und sich währenddessen bemühen können, Alternativen für den Lehrbetrieb im besetzten Hörsaal zu finden. Dies entspräche nicht nur unserem Verständnis vom Umgang mit friedlichem Protest, sondern hätte auch gegenüber den LMU-Studierenden und der Öffentlichkeit souveräner gewirkt. Dieses Vorgehen entspricht unserem Verständnis vom Umgang mit friedlichem Protest. Wir sehen die Androhung von Anzeigen gegen friedliche Demonstrierende nicht als angemessenes Vorgehen und verurteilen, dass die Hochschulleitung vor der Räumung, laut unseres Kenntnisstands, mündlich mit Anzeigen gedroht hat und begrüßen dementsprechend, dass sie laut ihrer Pressemitteilung vom 13.12.2022 [5] von Anzeigen gegen die Protestierenden absehen möchte. Insbesondere beunruhigen uns Berichte, dass unbeteiligte Personen, die zum Zeitpunkt der Auflösung durch die Polizei zufällig in der Nähe des Protests waren sowie Lehrkurse, die die Besetzung zu Lehr- und Forschungszwecken untersucht haben, mündlich ein ganztägiges Hausverbot für alle LMUGebäude durch die Polizei erhalten haben. Dies widerspricht dem von der Hochschulleitung erklärten Ziel, den Lehrbetrieb aufrechtzuerhalten und allen Studierenden Zugriff zur Lehre zu ermöglichen, direkt.

Lehre und Protest - beides muss möglich sein

Die Hochschulleitung argumentierte die Besetzung stelle eine inakzeptable Einschränkung der Lehre an der LMU dar. Auch wenn dieses Argument relevant ist verweisen wir darauf, dass es im konkreten Fall nicht greift. Die Protestierenden haben bereits von der ursprünglich geplanten Besetzung des Hörsaals A140, in dem eine Klausur stattfand, abgesehen und stattdessen den Saal A240 besetzt. Bei dieser Hörsaalbesetzung glauben wir, dass alternative Lehrmöglichkeiten hätten gefunden werden können. Abschließend ist dieser Sachverhalt von uns nicht zu beurteilen, da von Hochschulleitung und Raumverwaltung keine Erklärung über etwaige Bemühungen, um bei einer länger anhaltenden Hörsaalbesetzung Einschränkungen für den Lehrbetrieb abzuwenden, abgegeben wurde. Die Bemühungen um die Aufrechterhaltung der Lehre allein sind unserer Ansicht nach als Begründung für das gezeigte Verhalten der Hochschulleitung unzureichend. Politisches Engagement und friedlicher Protest gehören zu einer offenen, demokratischen und lebendigen Universität.

Protest als Folge von Missachtung studentischen Engagements an der LMU

Als Studierendenvertretung versuchen wir, studentische Teilhabe an der LMU zu stärken und studentische Interessen über institutionalisierte Wege wie den Konvent der Fachschaften und seine Referate an die Hochschulleitung heranzutragen. Allerdings werden diese Vorschläge und das damit einhergehende Engagement kaum von der Hochschulleitung wahrgenommen, viel eher wird studentisches Engagement ignoriert oder gering geschätzt. So hat der Konvent der Fachschaften mehrfach erfolglos versucht, mit der Hochschulleitung zusammenzuarbeiten. Beispielsweise wurden ausgearbeitete Vorschläge zur Umsetzung und Evaluation der Lehre in Coronazeiten, zur Reinstitution von Hochschulgruppen als Kern studentischer Initiative sowie zur Einführung eines Orientierungsstudium für Geisteswissenschaftler:innen von der Hochschulleitung ohne nennenswerte Auseinandersetzung abgeblockt oder komplett ignoriert. Ein Diskurs zwischen Studierenden, ob seitens der Studierendenvertretung oder in anderen Kontexten, und der zentralen Hochschulleitung scheint nicht beidseitig gewünscht. Aus diesen Gründen sehen wir Protest als durch die Hochschulleitung selbst geförderte Konsequenz, da Studierende ihren Unmut zu hochschulpolitischen Problemen, wie mangelnder studentischer Mitbestimmung sowie mangelnden Schritten zur Klimaneutralität der LMU und allgemeinpolitischen Anliegen wie der drohenden Klimakatastrophe, Armut unter Studierenden, oder Diskursen zur Rüstungsforschung an Universitäten nicht über institutionalisierte studentische Mitwirkung wirksam ausdrücken können. Wir fordern die Hochschulleitung daher noch einmal nachdrücklich auf, studentisches Engagement mehr wertzuschätzen und zu berücksichtigen. Gleichzeitig laden wir weitere studentische Initiativen dazu ein, mit der StuVe zusammenzuarbeiten, um studentisches Engagement zu bündeln in der Hoffnung den ohnehin geringen Handlungsspielraum besser nutzen zu können.

Studentisches Engagement gehört zur LMU. Protest gehört zur LMU!

Die Universität ist ein Ort der Bildung und des gesellschaftlichen Diskurses. Damit geht die Aufgabe der Universität deutlich über das Lehren von Fakten und der Interpretation akademischer Sachverhalte hinaus und ist auch ein Ort der zivilgesellschaftlichen Bildung. Politische Partizipation von Studierenden als aktive Bürger:innen ist für uns essentieller Teil einer lebendigen und resilienten Demokratie, was sich auch im friedlichen Protest ausdrücken kann. Wir verweisen auf den Offenen Brief vom 27.01.2021 des Konvents der Fachschaften der LMU [6], der die Förderung demokratischer Strukturen an der LMU fordert sowie den Stellenwert von Universitäten als Institutionen der Demokratie betont.Wer friedlichen Protest aus der Universität ausschließt, verengt unserer Ansicht nach den Auftrag der Universität.

Wie soll unsere Universität sich zu Engagement und Protest verhalten?

Die Kommunikation mittels kurzer Pressemitteilungen ist für uns in Anbetracht der enormen Bedeutung der Thematik zu oberflächlich und damit unzureichend. Wir fordern die Hochschulleitung auf, in Zukunft einen ausführlicheren und transparenteren Kommunikationsstil zu etablieren, der einen Diskurs mit der Studierendenschaft ermöglicht. Wir fordern von der Hochschulleitung ferner, eine offene und partizipativ gestaltete Debatte unter Einbeziehung der Studierendenvertretung und der gesamten LMU-Gemeinschaft darüber anzustoßen, welches Selbstverständnis die LMU vertritt und welche Formen von Engagement und Protest zur LMU gehören sollen. Wir sind bestürzt über die aktuellen Ereignisse und hoffen, dass sie alle Fachschaften, Studierendenvertreter:innen sowie anderweitig Engagierte sensibilisieren, sich noch aktiver als bislang an der Universität einzubringen und sich kritisch mit dem Verhalten der Hochschulleitung auseinanderzusetzen.

 

Anmerkungen:

Diese Stellungnahme beruht auf Informationen aus Pressemitteilungen der LMU, Diskussionen im Rahmen des Konvents der Fachschaften sowie Austausch mit Studierenden. Stand ist der 08.01.2023. Wir behalten uns Ergänzungen und Anpassungen der Stellungnahme vor. Dieser Text basiert auf einer Stellungnahme der Fachschaft Geschichte LMU vom 31.12.2022, welche von dieser in den Arbeitsprozess des Konvents der Fachschaften eingebracht wurde [7]

Referenzen (alle zuletzt aufgerufen am 06.01.2022):

[1] Rasmus Blasel: Wegen Hörsaalbesetzung: Uni lädt Klimaaktivisten zum Gespräch ein: https://www.augsburger-allgemeine.de/augsburg/augsburg-wegen-hoersaalbesetzung-uni-laedt-klimaaktivisten-zum-gespraech-ein-id64729901.html
[2] Klimaaktivisten besetzen Aachener Hochschulgebäude: https://www1.wdr.de/nachrichten/rheinland/aachen-rwht-klima-hoersaal-besetzung-protest-100.html
[3] Studierende beenden Hörsaal-Besetzung an der Uni Leipzig: https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen/leipzig/leipzig-leipzig-land/uni-hoersaal-besetzung-klima-protest-kompromiss-100.html
[4] StuVe: Update: Vorläufige Stellungnahme zur Raumbesetzung und Räumung am 13.12.2022: https://www.stuve.lmu.de/aktuelles/2022/vorlaeufige-stellung-13-12-22/index.html
[5] LMU: Besetzter Hörsaal geräumt: https://www.lmu.de/de/newsroom/newsuebersicht/news/besetzter-hoersaal-geraeumt.html
[6] Offener Brief des Konvents der Fachschaften der LMU zur geplanten Reform des bayerischen Hochschulgesetzes: https://www.stuve.uni-muenchen.de/unsere_inhalte/bayer-hochschulreform/offener-brief-stuve.pdf
[7] Stellungnahme der Fachschaft Geschichte LMU vom 31.12.2022: https://www.fachschaft.geschichte.uni-muenchen.de/aktuelles/statement_hoersaalbesetzung/index.html

Gezeichnet: Studierendenvertretung der LMU (Konvent der Fachschaften)